Ein rauschendes Abschlussfest der Saatgutkarawane auf dem Bundesplatz

Zwei Wochen ist die Saatgutkarawane mit ihren internationalen Gästen durch die Schweiz getourt. Heute am letzten Tag ist das Festival der Vielfalt angesagt: Können wir unsere Idee auch umsetzen, lässt sich das Publikum mitreissen und vor allem, spielt das Wetter mit? Bange Überlegungen im Vorfeld. Am Morgen werden die Tribüne und die Zelte aufgebaut, Strohballen als Sitzplätze herangeschleppt  und die Inseln der Sortenvielfalt installiert. Helfende Hände, eifriges Treiben und pünktlich um 11 Uhr meldet sich die Sonne und damit der Sommer zurück; der Bundesplatz ist für das grosse Fest bereit.

Der Präsident der Schweizerischen Bauernverbandes, Hansjörg Walter, zeigt in seiner Eröffnungsrede die Wichtigkeit der Sortenvielfalt für die Ernährung, die Umwelt und der Befindlichkeit der Menschheit auf. Als Bauer geht er mit guten Beispiel voran; auf seinem Hof betreibt er Milchwirtschaft, baut verschiedene Getreidesorten an und Obst liefern seine Hochstammbäume. Diese Vielfalt lässt sich nicht in Franken ausdrücken, doch seine Freude am Beruf und an der Vielfältigkeit seiner Produktion ist deutlich spürbar. Dieser Funke der Zuversicht überträgt sich auf das Publikum, der Platz füllt sich. Die Gäste aus Indien berichten, wie durch die Monopolsituation von Saatgutanbietern die Sortenvielfalt verschwindet. Diejenigen, welche noch mit dem Nachbar plauderten, horchen gespannt auf, als der Name Syngenta fällt.

Eine Vielfalt von Düften kitzelt in der Nase: Das müssen die Stände mit Spezialitäten aus den vier Kontinenten Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa sein, welche zum Mittagessen einladen! Während der Vertreter und die Bäuerin aus Nicaragua enthusiastisch aufzeigen, wie wichtig das Erbe ihrer Vorfahren – die vielfältigen Sorten von Bohnen und Mais – für den Speisezettel und die Selbstversorgung der lokalen Bevölkerung ist, strömen jetzt auch die Bundesangestellten und das arbeitende Volk auf den Bundesplatz, um sich an einem der Stände auf dem sonnigen Bundesplatz zu verpflegen. Mit einem feinen Dal oder einer Emmerspezialität  in der Hand werden die Inseln mit Pflanzen aus den vier Kontinenten bewundert und geraten, ob es sich bei dieser oder jener Pflanze um Linsen oder doch eher um Erbsen handelt. Baumwolle wird von den Meisten erkannt, aber schon bei den Auberginen wird es schwieriger. Eine fröhliche Schar, gute Stimmung und eine immer heisser scheinende Sonne. Die Kinder ergattern sich einen Ballon und schon bald suchen sie eine Abkühlung am Springbrunnen. Dieses fröhliche Treiben wird durch einen runden Tisch unterbrochen und der eifrige Zuhörer kann manch Interesses über die Saatgutproduktion und -vielfalt lernen.

Ein weiterer Höhepunkt ist die markige Ansprache von Bundesrat Moritz Leuenbergen. Er spielt auf die Biodiversität  und Blüten innerhalb des Treibhauses Bund an und stellt die nichtmonetären Werte der Biodiversität in den Mittelpunkt. Je weiter der Nachmittag vorrückt, desto bunter wird das Publikum und als dann die Livemusik aus dem Süden erklingt, bietet der Bundesplatz einen idealen Rahmen, um den Feierabend und das beginnende Wochenende zu geniessen.

Heidi Bravo, Bauernverband

Sonne belohnt Saatgutkarawane und Vielfalts-Festival zum Abschluss auf dem Bundesplatz

Schöner könnte es nicht sein – endlich verabschiedeten sich Kälte und Regen und die Gäste – Bäuerinnen und Bauern aus dem Süden – und die Besucherinnen und Besucher geniessen zum Abschluss der Saatgutkarawane ein wunderschönes Abschlussfest auf dem Bundesplatz in Bern. Anschaulich wurden mit viel Liebe und Sorgfalt und grossem Arbeitseinsatz früh am Morgen kleine Äcker aus vier Kontinenten auf den Bundesplatz verpflanzt – mit den unterschiedlichsten Nahrungspflanzen wie Maniok, Kartoffeln, Mais, bekannten und unbekannteren Getreidesorten, darunter rare alte Varietäten. Interessierte können sich auf Schautafeln über die Nützlichkeit der Sortenvielfalt und Biodiversität für das langfristige und nachhaltige Überleben von Mensch und Tier informieren. Die Sinne kommen nicht zu kurz, Nase und Gaumen erfreuen sich an den Düften, die aus den Kochkesseln in den vier Kontinent-Zelten steigen: Couscous, ein Hirseeintopf aus Westafrika lädt zum Probieren ein oder der indische Dhal, ein Linseneintopf mit Basmatireis. Aus Lateinamerika ruft der Gallo Pint, ein traditioneller Reis- und Bohneneintopf und im Schweizer Zelt lockt die Gemüsepfanne mit Emmer, einer alten Getreidesorte. Und für’s Ohr können wir den Klängen und den Vorträgen von Musikerinnen und Poeten lauschen.

Nicht nur das Vielfaltsfest strömt Ferienlaune – aber mit ernst zu nehmendem Hintergrund – aus. Das beliebte Wasserspiel auf dem Bundesplatz trägt das Seinige dazu, dass auch Kinder den Anlass auf dem Bundesplatz mit Spass, Freude und Lachen zu einem einmaligen und erholsamen Erlebnis werden lassen.

Dass Bundesrat Moritz Leuenberger dem Vielfaltsfest mit einer Rede voller Esprit und mit launigen Vergleichen zur „Biodiversität“ des Parlamentes die Ehre erwies, setzte dem von SWISSAID zusammen mit Biosuisse, IP-Suisse und dem Schweizerischen Bauernverband organisierten Fest die Krone auf.

Ein Dank an Südamerika

Das Bündnerland ist gnadenlos: Es striezt auch am dritten Tag, wir fahren in dicken Wolken gegen Süden, voller Hoffnung. Und wie so oft wird das Ticino seinem Ruf gerecht: Ennet dem Bernardino bläst der Nordföhn, der Himmel ist dunkelblau. Endlich. Auch in San Pietro, im südlichsten Zipfel der Schweiz, unserem heutigen Etappenziel, geht es um sonnige Genüsse. Um all jene Pflanzen und die daraus gewonnenen Produkte, die das Tessiner Mikroklima hervorbringt.
Es ist Fronleichnam. Feiertag im Tessin, fast 50 Personen nutzen die Gelegenheit, sich mit der Karawane zu treffen. Manuela Ghezzi von ProSpecieRara führt durch den Sortengarten. Die Pflänzchen sind noch nicht sehr hoch gewachsen. Aber man sieht es auch so: Die Vielfalt der Arten und Sorten, die hier gedeihen, ist immens – Tomaten, Bohnen, Auberginen, Salat in allen möglichen Variationen. Die Aubergine „Weisses Schwert“ etwa, die fleischige Rinderherz-Tomate oder die „Carotta Gnif“. Diese Sorte gab es nur noch auf dem Monte Bré bei Lugano, heute ist sie wieder weiter verbreitet.
Das Tessiner Fernsehen nimmt die internationalen Gäste in Beschlag. Eine Journalistin dreht einen Film über die Monopolisierung der globalen Saatgutmärkte und findet mit Ramoo und Carmen kompetente Gesprächspartnerinnen. Derweil holt Markus Lanfranchi, Bauer aus dem Misox und Präsident des Bio-Forum Schweiz, zu einer leidenschaftlichen Lobrede auf die Kleinbauern der Welt aus. Und dankt den südamerikanischen Indigenas, welche der Welt tausende Sorten Mais, Tomaten und Kartoffeln geschenkt hätten. „Wenn wir dazu nur besser Sorge tragen würden“, fügt er an.
Dona Carmen fühlt sich geehrt und gibt das Lob gleich zurück. Sie habe gehört, dass es im Tessin einen ganz speziellen roten Mais gebe, den man nun auch wieder kommerzielle anpflanze. Das sei toll. Tatsächlich sei der „Mais rosso di Ticino“ eine Erfolgsstory, sagt Gianmarco Fattorini, der an der „Rettung“ der Sorte beteiligt war. In den 70er-Jahren habe es noch eine Handvoll Leute gegeben, die das Saatgut besassen. Heute würden wieder weite Felder angebaut, und der rote Mais sei für eine „ganz spezielle Polenta“ sehr beliebt geworden.
Welche unbekannten Produkte das Tessin sonst noch hervorbringt, erfahren wir beim liebevoll präsentierten Apéro. Salemetti aus dem Fleisch des Wollschweines (Ramooo und Ashok: Vorsicht….), Frischkäse von der Capra Grigia, der grauschwarz melierten Tessiner Ziege, Omelette mit blauen Kartoffeln. Ein Fest für Gaumen und Augen.
Einiges zu staunen gibt es für Schweiz-Neulinge auch auf der Rückfahrt: Tunnelbrand im Gotthard, wir fahren über den Pass. Hohe Schneemauern links und rechts. Auf der Nordseite „chrisdicke“ Wolken. Sicht zehn Meter. Maximal. Vom Andermatter Luxusresort des Herrn Swahiri sieht man nichts. Aber: „Wer will denn hier schon Ferien machen“, fragt sich Fanceni und blickt in die kalte Nebelwand.

Von der Vielfalt globaler Bier-Ideen

Peer Schilperoord ist in seinem Element. In grünen Gummistiefeln steht er am Rand des Gerstenfeldes und beginnt zu dozieren. Seit 7000 Jahren schon würden im Bündnerland Kulturpflanzen angebaut, und zwischen 1750 und 1800 habe die Vielfalt der Arten und Sorten ihren Höhepunkt erreicht. „Doch von dann an ging’s bergab“, klagt der Leiter der Vereins für alpine Kulturpflanzen (VALK). Der Anbau von Leinen, Hanf, Hirse und Buchweizen wurde aufgegeben und heute seien nur noch 450 Getreidesorten erhalten, meist Weizen, Gerste, Roggen oder Hafer.

Die Karawane ist in Alvaneu angekommen, auf der Sonnenseite des Albulatals. Nur zeigt sich diese auch heute nicht, es nieselt, die Äcker sind schlammig und nass. Der Verein für alpine Kulturpflanzen hat hier seine Versuchsfelder, experimentiert wird vor allem mit Weizen und Gerste. Gerste Susch, Gerste Safeien, Gerste Alvaneu steht auf den Zetteln neben den hoch aufgeschossenen grünen Büscheln. „Ich han mich immer gfraget vo obenabe, was das für Bluemeschtrüss sind“, sagt eine Bäuerin. Nun wisse sie immerhin, was hier los sei. Und spannend sei es schon, dass man all die alten Sorten nun wieder nutzen könne.

Viel Aufmerksamkeit widmet man der Braugerste, die den Grundstoff für Bier liefert. Den Grund werden wir kurz darauf im Restaurant Belfort kosten. Zuerst geht’s aber in die Diskussionsrunde. Man wolle im Berggebiet die Produktionskreisläufe wieder herstellen, den Ausgleich schaffen zwischen Viehwirtschaft und Ackerbau, sagt Schilperoord. Die Zeit sei reif dafür und günstig, ergänzt Maria Egenolf von Gran Alpin, denn sowohl Bioprodukte wie qualitativ hochstehende Produkte aus den Bergregionen seien immer beliebter. Und dafür sei der Konsument auch bereit, einen guten Preis zu zahlen.

Fanceni Baldé setzt in Guinea-Bissau auf die selbe Strategie: gute Qualität und hoher Preis für Produkte aus lokalen Sorten, die sie über die Organisation Tiniguéna vertreibt. Aber diese Botschaft zu verbreiten, sei in einem bitter armen Land nicht einfach. Das sieht auch Ashok so, der wissen will, welcher Anteil des Endpreises in der Schweiz denn beim Bauern bleibe. Bei Bio-Produkten gewiss viel mehr als bei konventionellen, antwortet Bio-Schaf-Bauer Alfons Rotti von Bio Grischun. Er hat sich mit seinem Betrieb, der Schafkäse und Schafmilch produziert, jedenfalls eine lukrative Marktnische erschlossen.

Ganz in der Region verankert sind auch die beiden Brauer von der Birreria Monstein und der Birreria Tschlin, einem Kleinbetrieb, der ganz hinten im Engadin aus Berggerste seine Bierchen braut. Geschäftsführer Berthold Ketterer tischt uns stolz seine Produkte auf. Köstlich, vor allem das starke Dunkle, das bestens zur Gerstensuppe mit Dinkelbrot passt. Fatima wendet ein, bei ihnen im Niger, einem mehrheitlich muslimischen Land, könnten die Hirsebier-Brauereien fast nur im Untergrund arbeiten. Doch Carmen kontert, man könne ja aus dem Gerstensaft – wie bei ihnen in Nicaragua – auch Mittel zur Insektenabwehr oder Shampoo herstellen. Eine bewundernswerte Vielfalt globaler Bier-Ideen.

Die Karawane im Schnee

Der Himmel hängt tief, von den Felsen um Landquart tropft das Grau in allen Schattierungen, ein Ton trüber als der andere. Ausgerechnet am freien Tag für die Karawane. Unseren Gästen macht’s nichts aus, sie wollen alle hinauf in die Berge. Endlich die Schweiz sehen, wie sie in ihren Köpfen lebt: steile Berge, tiefe Täler. Und Sonne, sagt Jorge, sehe er in Nicaragua jeden Tag. Langweilig. Nebel und Nieselregen seien schlicht wunderbar. Wie man’s nimmt.

Wir steigen mutig in die Älpli-Bahn. Zwei Gondeln für je vier Personen pendeln zwischen dem Weindorf Malans und einer Beiz auf 1800 Metern. Das ist perfekt für unsere kleine Truppe. Immerhin grasen malerisch ein paar Kühe auf den saftigen Weiden. Denn oben wabert dichter Nebel, als läge die Alp in einem Sack voller Watte. Kein Problem, die Stimmung ist ausgelassen, nur die Kälte macht unseren Gästen zu schaffen. Fatima schichtet Goretex über Faserpelz und schlottert trotzdem weiter. Schon ein Unterschied zu den 45 Grad, die derzeit im Niger herrschen.

Wir marschieren los, bald geraten wir in den Schnee. Ein „First“ für Fanceni, die sich die pflotschigen Brocken auf den Kopf träufeln lässt. Auch unsere indischen Freunde tollen wie Kinder im Weiss umher, wollen sich als „Meister des Schnees“ fotografieren lassen. Wir schlittern und frieren, der Nebel wird immer dichter. Das tut der Freude keine Abbruch, im Gegenteil, die Karawane stapft munter durch den Matsch. Trotzdem kehren wir nach einer halben Stunde um. Die Schuhe sind durchnässt, sie sind für ein anderes Klima gedacht als dieses hier.

Wir stärken uns mit Gerstensuppe und Härdöpfustock. Gut? Man nickt höflich in die Runde. Carmen wagt sich immerhin an den Älpli-Kafi mit Nidle. Sie bereut es nicht. Ja, das Essen. Nicht einfach mit Menschen aus vier Kontinenten. Die Nicaraguaner möchten die Schweizer Küche ausprobieren, Fatima aus Niger ist dezidiert dagegen und bleibt bei Fisch und Reis, die Inder suchen verzweifelt die Sauce auf ihren trockenen Pouletstücken. Der Pizzaiolo des Mamma Rosa in Landquart bringt am Abend die Erlösung: Er ist Tamile aus Sri Lanka und zaubert Chapati und Chicken Curry auf den Tisch. Ashok und Ramoo strahlen. Eine kulturelle Klippe müssen sie noch umschiffen. Jorge bietet Pizza an, schon will Ashok ein Stück in den Mund schieben, als Fanceni aufschreit: „Pork“. Tatsächlich liegt auf dem Teig ein Stück Wurst. Ashok ist Muslim, also ist Schweinefleisch tabu. Er nimmt’s mit Humor: Ein „Close encounter“ mit italienischer Salami.

Singvögel mit unterschiedlichem Dialekt

Wussten Sie, dass Feldlerchen von einem Dorf zum nächsten einen etwas anderen „Dialekt“ singen? Wir stehen auf dem Feld, den Blick in die Ferne gerichtet, vor uns die Ebene des Klettgaus. Wo ist sie denn, die Lerche? Dank dem Anbau des alten einheimischen Getreides Emmer ist das braune Vögelchen wieder häufiger anzutreffen. Die Ornithologen unter uns, die sich von Freiberger Pferden vom einem Exkursionsstopp zum nächsten chauffieren lassen, deuten mit dem Zeigefinger in den wolkenverhangenen Himmel. Richtet sich das Auge nach dem Ohr, finden sich die Singvögel rasch.

Markus Jenny, Landwirtschaftsexperte der Vogelwarte Sempach und neben vielem anderen auch Lerchenspezialist, hat je nach Ort leicht unterschiedliches Gezwitscher nachweisen können. Das ist nicht die einzige Überraschung, die die Ornithologen für die Gäste aus dem Ausland und der Schweiz bereit halten. Jenny deutet auf den Boden. „Hier hat eine Lerche gebrütet.“ Wir sehen kein Nest. Erst genaues Hinschauen offenbart ein unscheinbares Gefüge von Zweiglein. Das Nest sei beim Mähen zerstört worden, die Jungen vom Fuchs gefressen.

Die  Lerche hatte Glück im Unglück. Sie ist ins Nachbarfeld gezügelt. Dort wird Emmer angebaut, ein altes einheimisches Getreide. Die Halme stehen weniger dicht beieinander, so dass die Vögel, die am Boden brüten, ihr Nest dazwischen bauen können. Emmer ist erst reif, wenn die Jungvögel längst flügge sind.

Der Tag hält auch für die einheimischen Fachleute Überraschungen bereit. „Fanceni hat das Problem auf den Punkt gebracht“, kommentiert Fritz Rothen, Geschäftsführer von IP-Suisse ein Votum der jungen Frau. Fanceni Baldé aus Guinea-Bissau ist in ihrem Land Pionierin auf dem Gebiet der Landsorten. Nachdem die Nichtregierungsorganisation, für die sie arbeitet, erst in den Dörfern alte Reissorten ausfindig gemacht und vermehrt hatte, galt es den Reis unters Volks zu bringen. „Der Geschmack ist entscheidend“, sagt sie und erntet  in der Diskussionsrunde beifälliges Nicken. Der Gaumen der Bissauer habe sich in langen Jahren an die hochgezüchteten Sorten gewöhnt und die Landsorten hätten kaum Anklang gefunden, erzählt sie. Die Organisation publizierte ein Kochbuch mit Rezepten aus Guinea-Bissau und eröffnete ein Restaurant. „Damit begründeten wir einen Trend“, sagt sie. Mittlerweile seien die Landsorten in gewissen Kreisen geradezu in.

Landsorten sind auch in der Schweiz längst salonfähig. Aufbauarbeit leisten hierzulande Organisationen wie die Vereinigung Emmer & Einkorn, die dafür sorgen, dass die alten Getreide trotz geringerem Ertrag angebaut werden. So stehen neuerdings in Bäckereien und bei den Grossverteilern Emmerbrote im Regal – und verkaufen sich prächtig.

Die SAG wird erwachsen

Gegen Mittag mache ich mich auf zum botanischen Garten in Zürich Seefeld. Idyllisch gelegen präsentiert sich die grosszügige Gartenanlage in satten Farben. Ein süsser Fliederduft begleitet mich auf dem Weg zur Cafeteria, wo eine lange Schlange vor dem reich beladenen Sommerbuffet wartet. An die Hundert Frauen und Männer sind gekommen, um das 20-jährige Jubiläum der Schweizer Arbeitsgruppe Gentechnolgie (SAG) zu feiern. Dieser Stopp der Saatgutkarawane, die auf die Bedrohung der Saatgutvielfalt und Eigenständigkeit von Kleinbauern durch die Gentechnologie aufmerksam macht, passt hervorragend.

Ich freue mich, viele Bekannte und Kollegen wiederzusehen. Ich erfahre die neusten Absurditäten über Patentierungsanträge für Pflanzen oder ganz einfach, was die Kolleginnen gerade so machen. Dann treffen auch die internationalen Gäste ein, sie besuchten am Morgen den Markt in Oerlikon und nahmen an der SWISSAID-Aktion gegen Patente auf Leben teil.

Den offiziellen Teil eröffnet Maya Graf, Nationalrätin der Grünen, Biobäuerin und SAG-Präsidentin. Der SAG-Geschäftsleiter Daniel Amman erläutert anschliessend die wichtigsten Gründe gegen Gentechnolgie in der Landwirtschaft: Die Gentechnolgie nimmt Eingriffe in Pflanzen und Tieren vor, die die Natur selber nie zulassen würde. Herbert Karch, Geschäftsleiter der Kleinbauern-Vereinigung, präsentiert DAS Highlight der 20-jährigen Arbeit von SAG: Es ist die Gentechfrei-Initiative, die das Volk im Jahr 2005 angenommen hat. Das 5-jährige Moratorium wird nun um 3 Jahre verlängert. Anstatt selber viel zu sagen, zeigt Herbert Ausschnitte aus der Arena-Sendung zur Abstimmung. Die Gentechfrei-Befürworterinnen legten ihre Argumente überzeugend dar: Wir wollen natürliche und qualitativ hochstehende Nahrungsmittel produzieren, da hat die Gentechnolgie keinen Platz. Die Biologin und Autorin Florianne Koechlin zeigt auf, wie Nutzpflanzen wie z.B. Mais eigene Methoden kennen, um sich gegen Schädlinge zu wehren. Ein intelligentes Vorbeugen gegen Schädlinge setzt an den pflanzeneigenen Abwehrmechanismen an.

Nun kommt der Auftritt unserer Gäste aus dem Süden. Zur Einführung erhalte ich das Wort, stelle die Saatgutkarawane vor und mache Werbung fürs Vielfaltsfest vom 4. Juni auf dem Bundesplatz, um zum Karawaneabschluss möglichst viele Teilnehmende zu gewinnen. Ich weise aber auch darauf hin, dass Gentechnolgie ganz sicher keine Lösung ist fürs Hungerproblem. Die Lösung kann nur von einer selbstbestimmten, kleinbäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft kommen.

Dann berichtet Gangula Ramanjaneyulu über die katastrophalen Erfahrungen mit der gentechnisch veränderten Bt-Baumwolle in Indien. 90% des Saatgutes ist gentechnologisch verändert und zu 95% in den Händen von Montsanto. Es gibt auch gute Nachrichten: Die nationale zivilgesellschaftliche Koalition gegen Gentechnologie hat erfolgreich zum Moratorium für die Einführung von Bt-Auberginen beigetragen.

Jorge Iran Vasquez aus Nicaragua berichtet vom enormen Druck, der ausgeübt wird, um in Nicaragua Gentech-Saatgut einzuführen. Die Zivilgesellschaft setzt sich darum seit Jahren für einen gesetzlichen Rahmen ein, um die Biodiversität und ihr lokales Saatgut zu schützen.

Nach diesem geistigen Ausflug in den Süden geht’s nach draussen. Aufgeteilt in drei Gruppen werden wir kompetent durch den botanischen Garten geführt – da, wo die Welt noch in Ordnung ist. Wir betrachten verschiedene Wiesentypen und werden über die historischen Veränderungen informiert, denn heute finden sich immer weniger bunte Wiesen voller Blumen. Auch hier gilt es, die Biodiversität zu schützen.

Das SAG-Fest klingt mit einem Apéro und Musik aus und die Besucherinnen verstreuen sich zufrieden und bestärkt im Kampf gegen Gentechnolgie in alle Richtungen.

Caroline Morel, Geschäftsleiterin SWISSAID

Wenn der Zuckermais nicht mehr aus Amerika kommt

Dass die Biosaatgutproduktion von Sativa auf dem richtigen Weg ist, wissen wir spätestens seit sie den Förderpreis für die Züchtung einer extrasüssen Zuckermaissorte bekommen hat.

Die treibende Kraft für die Arbeit von Sativa ist grundsätzlich die Forderung nach Saatgut, das unseren Anforderungen und klimatischen Bedingungen entspricht. 90 Prozent des Saatguts für Zuckermais kommt aus Amerika und erst noch aus dem selben Tal. Weltweit gibt es bloss fünf grosse Züchter von Süssmais, darunter Monsanto und Syngenta. Auch in der Schweiz müssen wir unabhängiger werden von den Saatgutmultis!
Sativa hat da Pionierarbeit geleistet: Amadeus Tschunke und Friedeman Eberle züchteten aus 50 Hybridsorten in sieben Jahren einen für Europa einzigartigen Zuckermais. Gewöhnlich entwickeln grossen Firmen Hybridsorten aus samenfesten Sorten, um unsere Abhängigkeit zu fördern. Die Fachleute von Sativa gingen den umgekehrten Weg: Die Hybridsorten wurden ausgesät, die schönsten vollen Kolben zurückbehalten und das nächstes Jahr wieder ausgesät. Und so weiter, bis heute nach sieben Jahren eine samenfeste Sorte vorliegt. Diese Arbeit finde ich wirklich lobenswert. Wir haben ein biologisches gentechfreies Saatgut, das an unsere Bedingungen angepasst ist – das einzige Zuckermaissaatgut aus Europa.
Die Fragen und Feststellungen der anwesenden Gäste aus Indien, Niger, Nicaragua und Guinea-Bissau zielten in dieselbe Richtung. Das wichtigste wird künftig sein, Saatgut zu besitzen, das an die klimatischen Bedingungen und die Böden des jeweiligen Landes angepasst ist. Lilith Hübscher, Präsidentin von Gen-Au Rheinau, zeigte in ihrer Begrüssungsansprache eine- blauen Mais aus Peru, der auf 3000 Meter über Meer wächst. Bei uns würde dieser sicher nicht wachsen, und andererseits unser Mais auf 3000 Meter auch nicht.

Manuela Ganz, Biosuisse

 

Das Fazit: Jedem Land sein eigenes Saatgut – nicht nur beim Mais, sondern bei der ganzen Saatgutpalette!

Winterweizen an einem Sommertag: die Karawane besucht Delley

Mit einer Installation aus 1015 Weizensorten in kleinen weissen Stoffsäcken wurde die Karawane vor dem Schloss Delley, dem Sitz der Schweizer Saatgutbranche empfangen. Auf dem dreistufigen Podest waren die wenigen Sorten ausgestellt, die aus den jahrelangen Selektions- und Testverfahren als Sieger hervorgegangen waren und die Sortenprüfung bestanden hatten. Ein beeindruckendes Bild, das uns verdeutlichen soll, wie viel Arbeit in der Entwicklung von Getreidesaatgut in der Schweiz steckt.

Der Tag bei der Delley Samen und Pflanzen AG (DSP) und swissem, dem Schweizerischen Saatgutproduzenten-Verband, war eine intensive und hochspannende Einführung in das System der Saatgutproduktion und –vermehrung in der Schweiz. Das Wetter war wunderbar und hinter den kleinkarierten Versuchsfeldern in verschiedenen Grüntönen zeigte sich sogar der Neuenburger See (aus dem wir dann am Mittag den Fisch serviert bekamen). Den halben Tag verbrachten wir in diesen Grüntönen: hunderte Winterweizen- und Triticale Sorten, die vor allem auf Grösse, Reifezeitpunkt, Anfälligkeit für Krankheiten und natürlich den Ertrag getestet werden.

Schon auf dem Feld stand für die Karawanegäste die Frage im Vordergrund, wer in der Züchtung und Vermehrung des Saatgutes welche Rolle spielt in der Schweiz. Was macht der Staat? Wie funktioniert die Zertifizierung? Und wie wird mit den Landwirten zusammengearbeitet? Es brauchte mehrere Anläufe, um das komplexe Schweizer System zu verstehen. Noch finanziert die Eidgenossenschaft eine eigene Getreidezüchtung. Die findet in den staatlichen Forschungsanstalten statt, die mit der DSP und anderen Vermehrungsorganisationen zusammenarbeiten. Die Vermehrung des Saatguts, d.h. der Anbau von Basissaatgut, um daraus die ausreichende Menge an Saatgut für die Schweizer Getreidebauern zu produzieren, wird dann wiederum von Landwirten geleistet. Die DSP und swissem sind froh, dass 95 Prozent der Getreideproduktion mit zertifiziertem Saatgut geschieht. Denn wie sollte die Züchtung sonst finanziert werden? Und wie sonst könnte die Qualität sicher gestellt werden? Für Jorge und Carmen aus Nicaragua war es jedoch befremdlich zu hören, dass die Schweizer Bauern eigenes Saatgut gar nicht mehr einsetzen.

Doch so gut wie beim Getreide sieht es in der Schweiz für keine andere Kultur aus. Aus der Maiszüchtung hat sich der Staat vor einigen Jahren zurückgezogen. Nun versucht die DSP ein eigene Zuchtprogramm mit Hybridmais. Der verkauft sich hier jedoch schlecht, da die grossen Konzerne wie Limagrain, De Kalb und KWS den Markt beherrschen. Mit Hybriden wie Mais lässt sich Geld machen, anders wie beim Weizen. Und die grossen Konzerne investieren Unsummen ins Marketing, womit die DSP nicht mithalten kann.

Ramoo aus Indien fragte in der abschliessenden Diskussionsrunde, was denn die DSP machen würde, wenn der Staat auch die Getreidezüchtung einstellte? Ja dann… Das wisse er auch nicht, sagte Hans Winzeler, Geschäftsleiter der DSP. Ob sie mit einem eigenen Zuchtprogramm auf dem Markt bestehen könnten, sei jetzt schwer einzuschätzen. Erst recht, wenn das Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen würde und die Schweizer Weizenproduzenten sich dem billigeren Angebot aus den EU Ländern gegenüber sähen. Denn so viel ist klar: Wenn es den Schweizer Landwirten schlecht geht, kann auch das DSP nicht überleben. Und um die Zukunft der Schweizer Weizensorten stünde es dann schlecht.

Lancement de la caravane des semences au Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève : c’est parti !

C’est parti !  Le lancement de la caravane des semences a démarré mardi en fanfare dans le cadre enchanteur du Conservatoire et Jardin Botaniques (CJB) de la Ville de Genève, au coeur de la végétation tropicale de la „serre tempérée“. Pour être raccord avec l’environnement, sous la magnifique verrière, la température s’est également tropicalisée au cours de la table-ronde intitulée „Menaces sur les semences du monde“, qui a réuni une cinquantaine de personnes. Pierre-André Loizeau, directeur du CJB, s’est réjoui de cette synergie avec SWISSAID afin d’attirer l’attention sur les dangers que représente la perte de notre biodiversité, lui qui apporte un appui à des jardins botaniques au Sénégal, au Brésil et dans d’autres pays du Sud.

Des échanges passionnants ont permis aux „militants de la biodiversité“ venus du Nicaragua, d’Inde, du Niger et de Guinée-Bissau de parler de la situation qui prévaut dans leurs pays respectifs et de partager les défis auxquels ils sont confrontés – des défis très proches de ceux que doivent relever les paysans suisses, comme l’a rappelé John Dupraz, qui, avec sa verve habituelle, a voué aux gémonies l’OMC, abrité dans un bâtiment tout proche. Fatima Noura a dénoncé le rouleau compresseur de AGRA, l’Alliance pour une révolution verte en Afrique, coachée par les fondations philanthropiques américaines de Bill Gates et Rockefeller, qui occupent désormais le terrain des semences au Niger. Gangula Ramananeyulu a quant à lui témoigné de sa lutte contre les OGM, qu’il s’agisse du coton ou de l’aubergine, véritable combat de David contre Goliath.
Le matin, c’est tout d’abord Caroline Morel qui a ouvert les feux de la conférence de presse à 11 heures tapantes, en faisant remarquer que c’était la première fois qu’elle prenait la parole dans un lieu aussi original et en phase avec ses propos. La directrice de SWISSAID a rappelé à quel point la disparition de nombreuses semences était problématique pour l’alimentation du monde, et que le forcing en faveur des semences transgéniques ne faisait qu’aggraver le problème. François-Philippe Devenoge, vice-président de Bio Suisse, et pionnier de l’agriculture bio en Suisse, était lui aussi la bonne personne pour dénoncer l’addiction des paysans aux armes de destruction massive que sont les désherbants et autres engrais chimiques, véritables drogues pour les agriculteurs qui ne savent plus vivre sans.
La journée s’est achevée par une visite haute en couleurs d’un massif de reproduction des semences dans le Jardin Botanique, organisée par ProSpecieRara.
Les médias ont fait un large écho au démarrage de la caravane des semences qui poursuit sa route mercredi en direction de Fribourg.

Saatgutkarawane

Saatgutkarawane

25. Mai bis 4. Juni 2010

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